Gerade lese ich endlich Meike Winnemuths Bestseller Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr und genieße ihre Schilderungen und ihre Art, die Dinge zu sehen, sehr. Diese Frau kann einfach schreiben, und was sie in meinen Augen besonders auszeichnet, ist ihre Offenheit: dem Leben gegenüber, denn sie geht mit einer wunderbaren Neugier, ehrlichem Interesse an anderen Menschen und Kulturen, auf ihre große Reise. Und sie ist auch ihrer Leserschaft gegenüber offen, denn sie legt Rechenschaft ab auf eine sehr ehrliche und unverstellte Art und Weise, die sie mir unbekannterweise ans Herz wachsen lässt. Sie gehört definitiv zu den Menschen, die ich gerne mal treffen würde.
Für diejenigen, die dieses zauberhafte Buch noch nicht kennen: Meike Winnemuth gewinnt bei Günther Jauch 500.000 Euro und beschließt, 12 Monate lang zu reisen. Und zwar in Städte, die sie schon immer mal kennen lernen wollte. In jeder Stadt bleibt sie einen Monat lang. Sie trifft lustige und interessante Menschen, lernt merkwürdige und spannende Dinge, macht faszinierende kulinarische und andere Erfahrungen und beschreibt sich und ihre Gefühle dabei. Warnung: Das ist für Menschen mit Fernweh eine süchtig machende Lektüre. Weil man nämlich sofort aufbrechen und was ganz ähnliches machen will.
Im Moment spricht mich besonders an, wie sie ihre Abenteuer angeht: Sie mietet zum Beispiel vorab einen festen Ort, an dem sie während des gesamten Monats wohnt. Sie bucht auch ihre Flüge oder einen Mietwagen im Vorfeld. Sie erledigt also die ganzen administrativen Dinge im Voraus. Außerdem schafft sie sich tägliche kleine Rituale: So trinkt sie ihren Tee aus der immer gleichen Kanne, die sie sich in der zweiten Stadt ihrer Reise gekauft hat. Dabei trägt sie ihren seidenen Morgenmantel aus Indien, ihrer dritten Station. Das gibt ihr ein Gefühl von Zuhause, auch wenn sie ständig unterwegs ist.
Und dann … lässt sie sich ein auf die jeweilige Stadt, die jeweilige Situation. Meist ganz furchtlos, mit einem großen Vertrauen, dass alles gut gehen wird. Sie folgt Impulsen und Empfehlungen, erledigt Aufträge für gänzlich Fremde, und immer wieder passieren ihr Dinge, bei denen es schwer fällt, an Zufall zu glauben.
Geplante Absichtlosigkeit
Unabhängig von der Reisethematik finde ich diese Form der geplanten Absichtlosigkeit klasse: Sich einen festen Rahmen zu schaffen, der einem jedoch viel Raum für neue Erfahrungen lässt.
Weil ich das selbst gerne so mache, versuche ich, das auch in meinen Workshops und Gruppencoachings umzusetzen: einerseits eine klare Struktur zu bieten, die den Teilnehmenden einen Rahmen gibt, und andererseits ausreichend Raum zu lassen fürs individuelle Experimentieren und Ausprobieren. Ich finde, das ist immer wieder eine Herausforderung und manchmal ein schmaler Grat: Wie viel Planung muss sein, damit sich auch alle sicher und aufgehoben fühlen, und wann engt die Struktur vielleicht zu sehr ein? Wie schaffe ich den Spagat zwischen den unterschiedlichen Bedürfnissen der Teilnehmenden? Die einen wollen ja mehr an die Hand genommen werden, fordern viel „Betreuung“, die anderen brauchen großen Spielraum und die „lange Leine“.
Was mir dabei hilft: Ich überlege, welches Ziel ich erreichen will. Was also sollen meine Teilnehmenden mitnehmen, welchen Lernerfolg wünsche ich mir? Dann überlege ich, welche Methoden ich einsetzen kann, und ich sorge auch für Alternativangebote. Als nächstes denke ich über eine didaktisch sinnvolle Dramaturgie nach. Dann steht meine grobe Ablaufplanung, und ich habe im besten Fall ausreichend Pufferzeit, um Impulse der Teilnehmenden aufnehmen und einbauen zu können. Durch die vorgegebenen Themen steuere ich natürlich die Prozesse in gewisser Weise.
Tatsächlich bevorzuge ich Formate, die über einen längeren Zeitraum gehen, wie die 77-Tage-Motivations-Challenge oder das neue 12-Monats-Mosaik. Denn manche Dinge brauchen einfach ihre Zeit und sind nicht mal eben im Schnelldurchlauf zu erledigen. Ich schätze es, tieferen Prozessen einen Raum zu öffnen, wo auch ungewöhnliche und unerwartete Fragestellungen auftauchen dürfen und in der angemessenen Zeit vielleicht auch eine Antwort finden.
Wie haltet ihr das mit Planung und Spontanität in eurem Bereich? Geht ihr ähnlich vor oder vielleicht ganz anders?
Liebe Heide,
Spontaneität gehört für mich zum Leben wie das Atmen, sonst wäre das Leben einfach ärmer. Damit meine ich nicht Planlosigkeit, sondern Offenheit. Als Kreative ist das bei meinen Projekten schon gegeben, die oft einem Entwicklungsprozess unterliegen, in dem ich Impulse aufnehme und Impulse gebe.
Deshalb habe ich in meiner noch jungen Website mit dem noch jüngeren Blog nun ein Projekt angeschoben, dass, wenn es irgendwann fertig ist, lauter „Buchmenschen“ unter dem Thema „Buchherstellung“ vereinigt. Darauf gekommen bin ich beim Schreiben zu meiner Arbeit als Gestalterin von Büchern und Broschüren, das mich für dieses weite Feld spontan öffnete 😉
Liebe Grüße an meine 3-monatige Coach,
Evy
Hallo Heide,
das mache ich im Grunde auch so. Bei der Zielbestimmung – ob in Seminaren, Coachings oder Workshops- frage ich die Klienten bzw. die Teilnehmenden, was innerhalb des Themas ein gutes Ergebnis für sie wäre. Das ist dann für mich die Orientierung. Die Zielerreichung ist für mich auch Gegenstand eines Controllings und Anlass für Korrekturen.
Viele Grüße
Helmut