Von Brüllaffen lernen

Den grandiosen Titel dieses Artikels verdanke ich einer Diskussion auf Twitter. Zufällig füllte ich eine kreative Pause mit einem Blick auf meine Timeline, als sich die wunderbare Bettina Stackelberg (@bstackelberg) gerade mit der klugen Katja Kerschgens (@Redenstrafferin) über den Missbrauch von Superlativen in der Eigenwerbung von Trainern und Coaches ausließ.

Da musste ich mich natürlich sofort einschalten, die Tweets gingen hin und her, und auch der charmante Kollege Lars Schäfer (@LarsSchaefer) trug noch ein paar interessante Aspekte bei.

Fazit unserer kleinen, aber feinen Twittkussion:

  • Superlative, die man sich selbst aufpappt, nerven einerseits. „Der beste … erfolgreichste …“ klingt oft unglaubwürdig – genau wie die Werbung im Fernsehen, die ja auch kein Mensch mehr ernst nimmt.
  • Von anderen verpasste Etiketten sind natürlich glaubwürdiger, aber auch da ist eine Häufung von Superlativen nicht unbedingt Vertrauen erweckend.
  • Jedenfalls gilt das für Leute wie uns, in deren Wertesystem „Authentizität“ ziemlich weit oben rangiert.

Dennoch müssen wir feststellen: Wer am lautesten schreit – ein Brüllaffe eben – kann oft auch die höchsten Honorare verlangen. Woran liegt das?

Meine Vermutung: Wer auf diese Weise penetrant auf sich aufmerksam macht, zieht eben auch mehr Blicke auf sich als das bescheidene Veilchen im Moose (ihr wisst doch: sittsam, bescheiden und rein …). Und wer permanent von sich behauptet, er sei der Beste, an dem bleibt von dieser Behauptung wahrscheinlich irgendwann tatsächlich etwas hängen. Menschen, die Orientierung suchen, richten sich nun mal gern nach Marktschreiern, die aus der breiten Masse herausragen – entweder durch Qualität, häufiger aber schlicht durch Lautstärke oder eine gewisse Penetranz. Manchmal sind solche Brüllaffen ja sogar ganz unterhaltsam.

Und wie verträgt sich das nun mit dem eigenen Berufsethos? Das ist ja eine durchaus schwierige Frage. Einerseits wollen wir ja alle mit unseren Leistungen wahrgenommen werden, und zwar von unseren Wunschkunden. Andererseits will aber keiner in die Brüllaffen-Ecke sortiert werden, unterstelle ich jetzt mal. Ich sage meinen Kunden an dieser Stelle gern: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr!

Damit meine ich nicht notwendigerweise, dass wir alle zu Brüllaffen mutieren sollten – das gäbe ein wahrlich Ohren betäubendes Spektakel, und wenn alle durcheinander brüllen, setzt sich in der Kakophonie letztlich doch keiner wirklich durch.

Aber man kann von Brüllaffen tatsächlich lernen:

  • Dass man nämlich manchmal auch mutig nach vorn gehen und das Zielpublikum direkt ansprechen muss – egal, ob „man“ das so macht oder vielleicht doch ganz anders.
  • Dass lautes Trommeln für seine eigene Botschaft, gezielt eingesetzt, durchaus sinnvoll ist, um seine Wunschkunden zu erreichen. Wie sollten diese sonst erfahren, was wir für sie tun können?
  • Dass man sich starke Partner sucht, die einen bei der eigenen Vermarktung unterstützen können. Der Brüllaffe an sich ist immer der Chef im Dschungel und kann delegieren 😉 .
  • Und dass schließlich eine gewisse Penetranz, verstanden als Präsenz, hilfreich ist, um überhaupt von den Menschen wahrgenommen zu werden, die man ansprechen will.

Gute Inhalte, Authentizität und selbstbewusstes Auftreten schließen sich nicht notwendigerweise aus, ganz im Gegenteil. Aber die Etiketten mit den Superlativen, die lassen wir uns lieber von unseren Kunden und Teilnehmern aufkleben!

Danke an @bstackelberg und @Redenstrafferin für die Inspiration!
Bildquelle: Peter Bast/pixelio.de

4 Kommentare zu „Von Brüllaffen lernen“

  1. Wie schön, dass wir inspirieren konnten – dann möchte ich auch mal kommentieren! 🙂

    Wenns mir gut geht, wenn ich in meiner Mitte stehe, selbstbewusst bin, dann denke ich:
    Pfffff……dieses Brüllaffen Gebahren hab ich nicht nötig. Viel heisse Luft, flache, immer wiederkehrende Inhalte, aber sooo große Klappe. Ich hab wirklich was zu sagen, tiefe Inhalte, möchte die Menschen wirklich und nachhaltig berühren und unterstützen, ich bin zwar auch ne gute Rampensau – aber Brüllaffe? Nö, das muss nicht sein. Das geht auch ohne Superlative, Aufschneiderei etc.

    Wenn ich aber grad mal nicht so in meiner Mitte bin, wenn ich unsicher und zweifelnd in die Welt gucke, dann denke ich:
    Himmelsakrazefix – ich will auch! Wie macht die das bloss: Schon wieder mit Foto und großem Interview in DER Tageszeitung – und ich erst in der Funkuhr!? Der ist schon wieder in der Talkshow und labert selbstverliebtes, hohles, althergebrachtes Zeugs daher! NEID!

    Ja – solche „Anfälle“ von Neid sind mir dann immer ein wichtiges Signal: Bettina, besinn dich auf deinen Weg. Was willst du? Wo möchtest du hin? Was sind DEINE Mittel, was passt zu dir und was nicht?

    Und dann schaffe ich es, wie du geschrieben hast, Heide: Was kann ich mir abgucken? Wie machen die das, was davon passt zu mir – vielleicht ein wenig leiser und authentischer? Wo streue ich vielleicht nicht gleich -zig Superlative, aber mal frech ein „Die Expertin fürs Thema Selbstbewusstsein“ ein?

    Und damit lerne ich und entwickle mich weiter.

    Und die „Brüllaffen“ schau ich mir an, in Vorträgen etc, um mitreden zu können und nicht nur zu lästern: Und ich lehne mich entspannt zurück und denke: Ok, der füllt sicher größere Bühnen als du (noch!!), der bekommt für nen Vortrag vielleicht auch mehr als du und der saß schon mal in 3nach9 im NDR (wo ich hinwill!). Aber seine Präsentation ist grottig, bei der Powerpoint kriegste Augenkrebs, der Vortrag ist völlig überladen, emotional null berührend und abgespult. Stackelberg, DAS kannste besser.

    Danke, Heide, für deine Gedanken zu diesem immer wieder wichtigen Thema.

    Herzlichst, Bettina Stackelberg

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  3. Sind Brüllaffen denn wirklich so viel beeindruckender als … beispielsweise Gorillas? Ich weiß nicht. Marktschreier mögen gut verdienen, aber nicht sehr gut. Weil Schreierei billig wirkt. Leisere – aber dennoch deutliche – Töne finde ich überzeugender. Vor allem, wenn sie dazu führen, dass der Kunde die Superlative zurückspielt und man auf das Eigenlob getrost verzichten kann.
    Findet – zum Feierabend – Heike

  4. Hab oft die Erfahrung gemacht, dass insbesondere in Situationen, in denen alles verfahren erscheint, lautes Poltern, Brüllen, Anschreien ein echter Bringer ist. Denn erstens erhält man – endlich – eine Reaktion und zweitens fällt die in den allermeisten Fällen (99%) auch so aus, wie man sich das gewünscht hat.

    Hab ich selbst im Umgang mit Chefs, Kunden, Behörden vielfach erlebt. Ist natürlich nicht unbedingt für jeden geeignet und sehr abhängig von der Gesamtperformance.

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