Selbstmanagement: auch fürs kreative Volk eine unternehmerische Tugend
Heute las ich im neuen Blog von Mario Carla einen Artikel mit dem Titel Ohne Planung geht gar nichts. Und weil ich gerade auch sehr zugange bin mit diesem Thema, möchte ich meine Gedanken dazu hier einmal zusammenfassen.
Ich bin ja jemand, der großen Wert auf kreative Freiheit legt. Routinemäßige Arbeiten, die sich ständig wiederholen, machen mich ganz kirre. Das ist einer der Gründe, warum ich so gerne selbstständig bin: Ich kann mir meine Arbeitszeit nach Gutdünken einteilen. Das birgt allerdings auch einige Fallstricke für Menschen wie mich, die dazu neigen, sich allzu leicht ablenken zu lassen:
Auf Xing hat gerade jemand seine Statusmeldung aktualisiert und einen interessanten Link gepostet – das muss ich mir anschauen! Bei Twitter treffen die spannenden Infos beinahe im Sekundentakt ein und wollen re-tweetet werden. Auf meinem Schreibtisch türmen sich die Ausdrucke von Artikeln, die ich „irgendwann“ mal lesen will, von den Fachbuch-Stapeln mal ganz zu schweigen. Die To-Do-Liste wächst quasi stündlich, und das Telefon gibt’s ja auch noch … Kurz: Die Versuchungen, von der eigentlichen Aufgabe abzuirren, sind zahlreich und nicht selten fast unwiderstehlich. Das ist aber für meine Produktivität nicht wirklich förderlich.
Und so habe ich vor einiger Zeit beschlossen, dass ich wohl doch ein paar Regeln benötige, um nicht jeden zweiten Abend bedröppelt feststellen zu müssen, dass ich wieder nur die Hälfte dessen geschafft habe, was ich mir vorgenommen hatte. Die Betonung dabei liegt allerdings darauf, dass ich mir meine Regeln selbst zusammenbaue und keinem Guru folge.
Also habe ich einiges ausprobiert, manch anderes gleich links liegen lassen, weil viel zu komplex. Wenn ich erst dicke Bücher durchackern muss, um mich selbst besser zu organisieren, dann hat das für mich nur sehr wenig Sex Appeal. Tatsächlich hilfreich fand ich Cordula Nussbaums Organisieren Sie noch oder leben Sie schon? Zeitmanagement für kreative Chaoten mit vielen guten Anregungen (Meine Rezension dazu hier).
Inzwischen haben sich folgende Strukturen bei mir bewährt:
- Ich führe eine monatliche, wöchentliche und tägliche To-Do-Liste. Das heißt, ich überlege am jeweiligen Monatsende, was im nächsten Monat ansteht, was ich erreichen will und umsetzen muss. Und das gehe ich dann Schritt für Schritt an.
- Dabei unterstützt mich mein Kalender, denn darin trage ich mir jede Woche gut sichtbar meine Wochenziele ein: Was muss ich schreiben, wen anrufen etc. Der Kalender ist was fürs kreative Spielkind in mir: bunt und trotzdem übersichtlich und durchdacht, so dass es Spaß macht, damit zu arbeiten.
- Ich habe einige Morgen-Routinen etabliert: Meditation, Qi-Gong-Übungen und eine Schreibübung, das „Magische Experiment“ (mehr dazu bei Zamyat M. Klein). Nach dem Frühstück schreibe ich zunächst mein Drehbuch für den Tag. Da überlege ich, wie der Tag optimalerweise laufen sollte: Bei meinen Terminen male ich mir aus, wie angenehm die Gesprächsatmosphäre sein wird, oder ich halte fest, wie leicht mir der Text für den neuen Kunden aus der Tastatur fließen wird. Durch diese gezielte Visualisierung bleibe ich fokussiert – und abgesehen davon denke ich, es ist grundsätzlich hilfreich, seine Gedanken bewusst daraufhin auszurichten, was man erreichen will.
- Die ersten 3 Stunden an meinem Schreibtisch verbringe ich dann damit, Texte zu fabrizieren, entweder für meine Kunden oder für meine Blogs. Inzwischen habe ich ja zwei davon, zwei weitere sind in der Planung. Ohne einen Redaktionsplan komme ich da nicht mehr zurecht – das ist das nächste Ordnungselement, das ich gerade umsetze.
- Meine Mails rufe ich nur in den Pausen auf, und genauso verfahre ich mit Twitter und den anderen Social Communities, bei denen ich Mitglied bin.
- Einen halben Tag pro Woche reserviere ich ganz explizit für Akquise und Marketingaktivitäten. Dass ich dafür einen festen Termin habe, hilft mir dabei, mich entsprechend zu motivieren – auch wenn das zugebenermaßen noch nicht ganz perfekt klappt. Aber was ist schon perfekt!?! 😉
Diese Methoden verschaffen mir genau den Freiraum, den ich für meine kreative Tätigkeit dringend brauche. Denn wenn ich mich selbst geißele wegen meiner mangelnden Produktivität, ist das ganz schlecht für mein kreatives Ego und ich bin dann völlig blockiert.
Welche Strukturen nutzt ihr, um euren Arbeitsalltag effizient zu managen?
Liebe Heide,
Du fragst zwinkernd soeben via Twitter „Und, was gelernt?“- was soll ich dazu sagen. NEIN!! Offensichtlich nicht. Oder ich habe soeben meine tägliche Twitterzeit eröffnet. Sonst hätte ich sicher Deinen Punkt 5 schon angewendet.
Aber: ICh werde sicher daraus lernen und useful ideas einfach klauen! So!
Denn dieser Blogeintrag ist für mich geschrieben worden- behaupte ich jetzt mal so ganz frech 😉
Diese Anregungen waren dringend notwendig!!! DANKE!!!
Jetzt wird’s ausgedruckt, auswendig gelernt UND, sicher besonders wichtig, umgesetzt.
War da so etwas wie der innere Schweinehund?
Bin gespannt, wie laut er diesmal lacht 😉
Liebe Grazer Grüße,
Georg
Hallo liebe Heide,
ja, ein Lieblingsthema von mir- wiewohl ich wohl zum Teil da schon etwas strukturierter oder „strenger“ bin als du. Trotzdem kenne ich auch Tage, wo ich mich verfransele.
Ähnlich ist, dass ich einen festen Tagesbeginn habe- und was lange gedauert hat, bis ich ihn installiert hatte. Denn ich bin ja der absolute Morgenmensch und würde mich am liebsten schon um 6 Uhr an den Schreibtisch stürzen.
Wenn ich aber beispielsweise regelmäßig Yoga machen möchte, so geht das nur morgens- da muss ich mich sozusagen von der Arbeit zurück halten und erst mal ins Wohnzimmer auf die Matte.
Diese morgendliche Yogasesshion will ich nun noch mehr abwechseln mit Nordic Walking in der Natur, was dann aber 1 1/2 Stunden „kostet“. Aber bei Sonnenaufgang durch Wiesen und Felder zu laufen ist einfach gigantisch.
Dann Frühstück auf dem Balkon in der frühen Morgensonne- etwas Schöneres gibt es nicht – mit Blick über das Aggertal.
Dann ins Büro und der Start begann in den letzen Wochen mit dem 20minütigen Schreiben des Magischen Experiments, das ich aber ja jetzt abgeschlossen habe.
Danach die Tagesplanung: anders als du mache ich meine Monats-, Wochen- und Tagesplanung als Mind Map (die Monats MM sind in Classei-Mappen, wo ich dann jetzt schon eintrage, wenn mir was für Dezember einfällt, so dass ich es dann wieder parat habe).
Selten mache ich die Tagesplanung am Abend vorher, da ich da oft Außentermine habe.
Wichtigste Regel:
die ersten zwei bis drei Stunden so genannte A oder B Aufgaben. Also Tätigkeiten, die mein Business weiter bringen oder wichtige konkrete Aufgaben sind: ein Angebot für einen Kunden schreiben, ein Seminar vorbereiten, an einem Buch schreiben. Wo ich mich auch längere Zeit an einem Stück konzentrieren will, damit es etwas bringt.
Und meistens bringt es irre viel! wenn ich da konsequent bin.
Blog, Twitter etc. kommt erst danach (wenn ich einen „braven“ Tag habe, wo ich mich an meine Regel halte :-). Ebenso Telefonate, zumindest die, die ich starte. Wenn angerufen wird, gehe ich manchmal auch früher dran, manchmal stelle ich den AB an und das Telefon leise (sonst gehe ich aus Neugier doch dran).
Termine mit anderen, ob Coaching, Besprechungen, Kooperationstreffen etc. lege ich grundsätzlich nur nachmittags, da morgens eben meine produktivste Zeit ist und ich in diesen ersten drei Stunden wahrscheinlich so viel schaffe wie manche in 8 Stunden.
So hat sich aber auch unmerklich auch schon ein Ziel realisiert, das ich eher mehr in der Ferne gesehen habe: dass ich weniger arbeite! Oft mache ich nachmittags nämlich Dinge, die mir einfach gut tun- oder kümmere mich aus aktuellem Anlass um meine Familie.
Neu für mich ist, dass ich die Regeln auch mal lockerer lasse und nicht mehr immer die Arbeit in den Mittelpunkt stelle.
So schaffe ich es auch mal zwischendurch einen Tag ganz frei zu nehmen und durch das Ahrtal zu wandern oder meine Familie zu treffen, die gerade eine sehr schwere Zeit durchmacht.
Das ist für mich ein Fortschritt- die Bewertung zu verschieben und das sog. Work- Life- Balance wirklich mal ernst zu nehmen.
Gerade im Angesicht des Todes verschieben sich Prioritäten sehr deutlich- und ich pfeife auf ein perfektes Flipchart und besuche meinen Vater.
Bin ein wenig abgeschwiffen:
eine Routine und Struktur ist äußerst hilfreich und unentbehrlich. Und nur sie gibt den Rahmen, in dem man bewusst einmal davon abweichen kann. Aber das ist etwas völlig anderes als sich einfach planlos zu verzetteln und abends frustriert zu sagen: Was habe ich eigentlich heute geschafft, obwohl ich den ganzen Tag beschäftigt war?
Alles Liebe
Zamyat
Lieber Georg, glaub mal nicht, dass ich meine Struktur immer und jeden Tag so durchhalte (mit der Ausnahme der Morgen-Routinen, das lasse ich mir nicht mehr nehmen!). Mein Schweinehund hat wohl einen ähnlichen Humor wie deiner 😉 . Trotzdem: Es hilft einfach enorm und dient gerade dem kreativen Anteil, der „nur spielen“ will, sich so ein Korsett zu geben. Bin gespannt, wie du das umsetzen wirst, lass von dir hören!
Liebe Zamyat, gerade werde ich wieder meinem Vorhaben untreu – ausgetrickst! Aber ich habe deinen langen Kommentar mit so viel Freude gelesen und wollte dann doch gleich darauf reagieren. Ich bin ja nicht so eine Frühaufsteherin wie du, aber das spielt auch keine Rolle. Ich denke, die Routinen müssen eben individuell angepasst sein. Ich kenne Menschen, die ausgewiesene Nachtarbeiter sind und da ihre kreativste Phase haben, für mich gänzlich unvorstellbar. Aber wenn es denen gelingt sich so zu organisieren, dass sie diese Zeit gut nutzen können – umso besser. Wichtig ist, dass man seine produktiven Hochphasen kennt und sich danach richtet und nicht dagegen arbeitet. Das hat sich leider in der Wirtschaft noch nicht herumgesprochen, aber das ist wieder ein anderes Thema …
Und was die Prioritäten betrifft – das kann ich sehr gut nachvollziehen. Wünsche dir für diese Zeit mit deinem Vater alles Liebe und viel Kraft!