Oder: Die Ganz-Oder-Gar-nicht-Falle
Kürzlich habe ich das Buch Mindfuck: Warum wir uns selbst sabotieren und was wir dagegen tun können von Petra Bock gelesen und fand es durchaus inspirierend, auch wenn ich persönlich wenig Neues daraus erfahren habe. Aber manchmal ist es ja schon hilfreich, bereits Bekanntes noch einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Mir ging es so, als ich bei ihr auf den Satz stieß „Raus aus den Extremen!“
Denn das ist ein Verhalten, mit dem ich mich lange Zeit äußerst erfolgreich selbst sabotiert habe und das mir auch bei meinen Klienten immer wieder begegnet. Nach dem Motto „Wenn ich das nicht genau so umsetzen kann, muss ich ja gar nicht erst damit anfangen.“ Unausgesprochen schwingt dabei mit „… denn es klappt ja sowieso nicht!“ Als junge Frau war mein Berufswunsch Journalistin. Ich träumte von einer Karriere bei einem großen investigativen Magazin. Aber ich wollte „entdeckt“ werden, obwohl mir gleichzeitig völlig klar war, dass das niemals funktionieren würde. Ich war nicht bereit, mich auf den langen steinigen Weg zu begeben, über ein Volontariat und vielleicht ein Studium an einer anerkannten Journalistenschule an mein Ziel zu gelangen. Insgeheim war ich davon überzeugt, dass ich es sowieso nicht schaffen würde und wartete – natürlich vergeblich – auf einen Zauberstab, der mich Jetzt! Sofort! als Top-Journalistin in die Redaktion meines Wunschmagazins setzen würde. Und wenn das nicht klappte: Pöh! Dann eben nicht!
So bin ich über die Zeit was ganz anderes geworden ;-). Und habe zum Teil auf die harte Tour gelernt, dass es zwischen schwarz und weiß noch ziemlich viele Grautöne gibt.
Trotzdem stelle ich fest, dass es an bestimmten Punkten immer noch diesen Anteil in mir gibt, der sagt „Entweder so – oder du lässt es gleich ganz bleiben!“ Zum Glück erkenne ich das inzwischen früher oder später und kann dann adäquat damit umgehen. Ich frage mich dann beispielsweise:
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Was genau willst du vermeiden, wenn du den Weg so absolut setzt?
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Was würde passieren, wenn du auch anders erfolgreich wärst?
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Was könnte schlimmstenfalls passieren, wenn du es nicht bleiben lässt?
Diese Fragen ermöglichen mir, in Kontakt mit meinen inneren Vermeidern zu kommen. Ich aktiviere so mein Inneres Team und versuche, im Dialog mit den verschiedenen Anteilen einen anderen Weg zu finden. Und dabei vielleicht auch zu akzeptieren, dass 100 Prozent gar nicht unbedingt sein müssen.
Damit komme ich raus aus dem trotzigen Kind-Ich, dass maulend in der Ecke sitzt, wenn es nicht genau das bekommt, was es sich wünscht und dann lieber ganz verzichtet. Sondern ich kann eine erwachsene Entscheidung darüber treffen, wie ich mein Ziel auf anderen Wegen erreichen kann – oder ob es überhaupt genau dieses Ziel sein muss. Das fühlt sich gut an. Maus- oder anthrazitgrau können auch sehr schöne Farben sein ;-).
Wohl wahr, Frau Liebmann!
Mir ging es bei Mindfuck ganz ähnlich. Zugegeben – zunächst stosse ich mich am radikalen Terminus aus dem Englischen, zumal er im Buch m. E. penetrant oft auftaucht und in der GROSSSCHREIBUNG irgendwann anfängt ERHEBLICH zu nerven.
Aber ich habe mich nicht irritieren lassen, einfach weitergelesen (übrigens einer der Tipps gegen böse Mindfuck-Gespenster) und: Es hat sich gelohnt. Die Nettobotschaft kam bei mir prompt erst beim 2. Drüber-Nachdenken an und so weiß ich jetzt, dass ich gerne mal dem gemeinen Bewertungs-Mindfuck aufsitze.
Wusste ich ‚irgendwie‘ zwar auch schon vorher, aber jetzt schaue ich mit kritischerem Blick drauf und prüfe gründlich, ob ich mir gerade selbst ein Bein stelle. Insofern: Wer gelassen mit der beschriebenen Lesehürde umgehen kann, kann an dem Buch durchaus seine Freude haben. Und ich übe ab sofort fleißig, nicht immer alles reflexhaft einer Bewertung zu unterziehen. Gleich nach diesem Kommentar fange ich damit an …
Herzliche Sommerabendgrüße an Sie & alle Leser schickt
Angelika Eder