Gastbeitrag von Britta Freith vom Texte-mit-Stimme-Blog
Und noch eine Premiere im Wunschkunden-Special: der erste Gastbeitrag! Britta beleuchtet das Thema hier für euch aus einer etwas anderen und sehr interessanten Perspektive – heißen Dank dafür!
Ich unterstelle: Wenn man anfängt mit der Selbstständigkeit, ist fast jeder Kunde ein Wunschkunde. Denn dann ist der Wunsch schlicht: Möge jemand anrufen, mich beauftragen und am Ende des Monats große oder kleinere Summen auf mein Konto überweisen.
Mit der Zeit relativiert sich die Sache. Spätestens wenn man Gespräche mit Kunden führt, die sich über Stunden im Kreis drehen. Die Quintessenz eines solchen Gespräches (das sich real über zwei Wochen hinzog):
„Frau Freith, ich möchte einen neuen Text für meine Website. Mein alter gefällt mir nicht. Aber ich möchte nicht, dass Sie zu viel ändern. Mein Nachbar fand Absatz eins und zwei nämlich gut. Aber drei könnte wohl kürzer… Vielleicht sollte man das alles anders aufbauen? Sie haben so tolle Ideen. Eigentlich könnten die auch von mir selbst stammen. Wenn ich es recht überlege: Ich habe doch auch tolle Ideen. Man muss auch an sich selbst glauben. Ich weiß gar nicht, ob ich die Website noch überarbeiten lassen sollte…“
Mit Geld kann man meine Seelenqualen bei so etwas nicht bezahlen. Zeiträuber sind definitiv keine Wunschkunden. Und je länger ich dabei bin, desto mehr stelle ich fest: Unentschiedene und wankende Auftraggeber abzulehnen (so man es denn im Vorwege bemerkt), ist kein Zeichen von Arroganz, sondern schlichter Selbstschutz – und ein Stück Lebensqualität.
Die Wahrscheinlichkeit Wunschkunden zu haben, wächst mit der Spezialisierung – zumindest hatte ich mir das so gedacht. Wenn sich nur wenige Leute in einem bestimmten Sektor tummeln, müssen die Wunschkunden doch irgendwann wie angepasst zu einem kommen.
Ich werfe also drei Stichworte in den Ring: Audios, PR und Umwelt. Das heißt: 1. Ich produziere Hörbeiträge, 2. Ich weiß, was Radiostationen tendenziell senden und wie man Podcasts produziert, und 3. Ich habe einen Schwerpunkt auf Umwelt und Verbraucher.
Mein Ziel: Umwelt- und Verbraucherschutz positiv zu vermarkten. Wer klopft an meine Tür: Ein großer Konzern, der bisher eher durch negative Umweltschlagzeilen auf sich aufmerksam machte. Nach dem (fiktiven!) Motto: Ja, wir haben riesige Käfighennenbatterien, aber dort hinten haben wir 10 freilaufende Hühner mit grünen Eiern. Bitte bringen Sie uns doch darüber positiv ins Gerede.
Schon als ich den Namen des Konzerns am Telefon hörte, zog sich in mir alles ablehnend zusammen. Dann habe ich heftig geschluckt. Und dann habe ich sehr viel Mut zusammengenommen (der Name war wirklich sehr bekannt) und dem PR-Menschen am anderen Ende gesagt, warum ich das nicht tun kann. Währenddessen sauste es in meinem Kopf: Ich bin größenwahnsinnig, ich habe wohl zu viel Geld, mir geht’s wohl zu gut…
Eigentlich war ich schon beim Auflegen sicher, dass ich für meine Seele das richtige getan habe. Mein Portemonnaie lag zwar schluchzend und leer in der Ecke, aber ich hatte meine Ideale nicht verraten. Heroisch, was? Aber kann man das auch tun, wenn man gar keine Sicherheit im Hintergrund hat, wirklich auf jeden Euro angewiesen ist?
Reaktionen von Kolleginnen in meinem Lieblingsnetzwerk Texttreff haben mir gezeigt: Ja! Eine Übersetzerin berichtete sogar, dass sie als Anfängerin, als sie das Geld bitter, bitter brauchte, einen sehr großen Auftrag abgelehnt hat, weil in dem Text der Holocaust geleugnet wurde. Das ist ganz selbstverständlich? Sie wäre ja als Autorin nicht aufgetaucht und ihr Kühlschrank wäre voll gewesen.
Aber nein, das geht nicht. Bestimmte Aufträge muss man einfach ablehnen. Schon aus geschäftlichem Interesse: Indem ich nicht alles mache, schärfe ich mein Profil. Menschen erinnern sich eher an mich. Und ich gehe sicher, dass ich mir nicht durch die Pflege eines ungeliebten Kunden den nächsten ins Haus hole. Denn am Ende empfiehlt er mich noch weiter!
Andersherum ist es auch im Interesse des Kunden ihm zu sagen, wenn man sich mit dem Auftrag nicht wohlfühlt. In so einem Augenblick kann man zwar sicher technisch weiter perfekt arbeiten, aber der Sache fehlt das Herz. Warum sollte ich meine besten Ideen für einen Betrieb oder Menschen geben, den ich innerlich verurteile? Mir bereitet es Qualen, der Kunde bekommt keine optimalen Ergebnisse – selbst dann nicht, wenn er es gar nicht merkt. Aber es fällt auf mich zurück, denn irgendjemand wird es merken.
Darum ist es gut, hin und wieder zu sagen: Dein Wunsch, Kunde, ist nicht meiner.
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Britta: Treffer. Versenkt. Chapeau!
Oh, danke :-))))
Wie sich Erlebnisse gleichen 😉
Ergänzen möchte ich noch: Kunden, die einen (ersten) Auftrag erst nach kurz vor dem Gerichtstermin bezahlen, sind auch nicht mehr meine Kunden (ganz egal, ob hochdotierter Rahmenvertrag).
Danke für diesen Beitrag!