Ungewohnte Perspektiven beim Kurz-Workshop von Sylvia Löhken
Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, an einer Veranstaltung der webgrrls nrw teilzunehmen, die noch dazu im Coworking-Space der Garage Bilk stattfand. Die Referentin Sylvia Löhken hatte ich vor gut zwei Jahren über Twitter kennen und schätzen gelernt. Bei einem gemeinsamen japanischen Mittagessen in Düsseldorf, bei dem sie mich durch die fließend auf japanisch vorgetragene Bestellung schwer beeindruckt hatte, lernten wir uns dann auch persönlich kennen, und seitdem haben wir uns im Blick.
Deshalb freute ich mich sehr auf die Gelegenheit, Sylvia auch mal live zu erleben, vor allem, weil mich ihr derzeitiges Hauptthema, die „leisen Menschen“, sehr interessiert. Und zwar weniger, weil ich selbst zu diesen zähle – leise bin ich eher selten – sondern weil ich immer wieder Kunden habe, die eher zurückhaltend sind. Daher versprach ich mir einen lehrreichen Abend mit Impulsen zu der Frage, wie ich einerseits selbst einen noch besseren Zugang zu meinen introvertierten Kunden finden könnte. Und andererseits wollte ich auch vertiefen, welche Strategien ich diesen Kunden vielleicht anbieten könnte beim Thema Selbstmarketing ohne lautes Trommeln.
In der Tat erfuhr ich eine Menge darüber, was „Intros“ und „Extros“ unterscheidet. Besonders wichtig war für viele der anwesenden Intros wohl die Information, dass sie so wie sie sind genau richtig sind. Wir leben zwar in einer von Extros geprägten Welt, und das gibt Intros oft das Gefühl, irgendwie „verkehrt“ zu sein, wenn sie nicht so laut auf sich aufmerksam machen wollen. Aber tatsächlich gehen seriöse Studien von einem Intro-Anteil von mindestens 30 Prozent aus – und wahrscheinlich liegt er eher noch höher. An diesem Abend war ich als Extro jedenfalls allein unter Intros – eine ganz spannende Erfahrung übrigens!
Sylvias Ansatz deckt sich sehr stark mit meiner ohnehin vorhandenen Überzeugung: Jeder soll auf seine Fasson Selbstmarketing betreiben. Der eher leise Mensch wird mit klassischem Trommeln für sich und seine Leistung wahrscheinlich nicht wirklich glücklich werden. Daher ist es für einen Intro sehr wichtig, sich über seine Qualitäten bewusst zu werden.
In ihrem Buch Leise Menschen – starke Wirkung: Wie Sie Präsenz zeigen und Gehör finden hat Sylvia die Stärken der Intros herausgearbeitet:
- Vorsicht: behutsames Vorgehen und Vermeidung von Risiko und Abenteuer
- Substanz: Wesentliches erfassen und betonen, Inhalte mit Tiefe und Qualität vermitteln
- Konzentration: die Fähigkeit zu fokussieren und beständig bei einer Sache zu bleiben
- Zuhören: die Äußerungen des Gesprächspartners aufnehmen, filtern und einen echten Dialog schaffen
- Ruhe: Innere Ruhe als Basis für den Umgang mit sich und anderen
- Analytisches Denken: Komplexe Zusammenhänge erfassen und systematisch strukturieren
- Unabhängigkeit: allein sein können, eigene Maßstäbe ansetzen
- Beharrlichkeit: mit langem Atem auf ein Ziel hinarbeiten
- Schreiben (statt Reden): wohlüberlegt und leicht schriftlich kommunizieren
- Einfühlungsvermögen: Perspektiven wechseln und so Konflikte lösen, Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen, diplomatisch sein
Gelingt es den Intros, ihre Stärken zu kultivieren und „artgerecht“ zu vermitteln, können sie alles erreichen – dafür sprechen die zahlreichen prominenten Intros, die es ganz nach oben geschafft haben, Menschen wie Steven Spielberg oder Götz George, Warren Buffet und Loriot, Albert Einstein oder auch Angela Merkel.
Die Kernaussage des Abends war für mich das von Sylvia gewählte Zitat von Dolly Parton „Finde heraus, wer du bist, und mach es mit Absicht!“
Im Buch geht die Autorin natürlich noch wesentlich mehr in die Tiefe. Unter anderem gibt es ein Kapitel zum Thema „Intro-Bedürfnisse – Intro-Hürden“. Interessante Hinweise fand ich im zweiten Teil „Wie Sie privat glücklich und beruflich erfolgreich werden“, wo man als Intro einige interessante Strategien darüber erfährt, wie man sich im jeweiligen Kontext verhalten kann. Das ist auch für Extros durchaus wissenswert, denn zum einen sind ja die wenigsten von uns 100-Prozent-Extros, d. h. wir haben auch introvertierte Seiten, und es ist immer aufschlussreich, sich das mal genauer anzuschauen. Zum anderen habe ich als Extro auch einige Intro-Freundinnen, und ich fand es lohnenswert, mir auch mal darüber Gedanken zu machen, wo ich vielleicht manchmal in meiner typisch extrovertierten Art über die Bedürfnisse meiner Intro-Freundinnen hinweg fege.
Diesen lege ich die Lektüre des Buches jedenfalls wärmstens ans Herz, denn im dritten Teil erläutert Sylvia wirksame Strategien, wie man als leiser Mensch Präsenz zeigen und Gehör finden kann, z. B. indem man Kontakte aufbaut und pflegt, seine Intro-Stärken in Verhandlungen einsetzt, und sich überhaupt mit dem Gedanken anfreunden kann, öffentlich aufzutreten.
Das alles wird fundiert und praxisnah erläutert. Es gibt zahlreiche Übungen und Denkfragen, um sich mit der eigenen Situation auseinander zu setzen und passt auch insofern zur Zielgruppe, die sich ja gerne mal in eine ruhige Ecke zurückzieht, um sich mit neuen Gedanken zu beschäftigen.
Im letzten Kapitel schließlich hat Sylvia mit der „Lizenz zum Leisesein: Ausblick auf ein erfülltes introvertiertes Leben“ die Essenz ihrer Erkenntnisse zum Dasein als Intro zusammengefasst. Der letzte Satz, den ich hiermit verrate: „Gehen Sie hinaus und wirken Sie – leise und intensiv!“ So wie sie selbst:
Denn wer Sylvia Löhken mal live sehen kann, sollte das tun. Gerade diese Woche hat sie nämlich auch noch die verdiente Auszeichnung zur Vortragsrednerin des Jahres 2012 erhalten. Es macht Freude, ihre leise und unaufdringliche, aber nachhaltig wirksame Präsenz zu erleben.
Beinahe werde ich ein bisschen neidisch … Aber zum Glück kenne und schätze ich meine Intro-Anteile – und bleibe glücklicher Extro! 😉
Danke, liebe Heide, für diesen Text! Ich freue mich darüber, dass Du Dich als einzige Extro auf weiter Flur an unserem Düsseldorfer Abend bei den Webgrrls wohlgefühlt hast – und besonders darüber, dass Du Dir so viele Gedanken über Deine leisen Kundinnen und Kunden machst.
Hey, wann gehen wir übrigens mal wieder Sushi speisen?
Herzliche Grüße, Sylvia
Liebe Sylvia, es war wirklich ein aufschlussreicher Abend, und meine Intro-Teile haben viel mitgenommen 😉 . Und Sushi: gerne und jederzeit! Vielleicht komme ich mal zu dir nach Bonn?