Und hier kommt zum Abschluss der Mutmacher-Blogparade noch ein Beitrag meiner Freundin Dagmar, die es mühelos schafft, einen Bogen von ihrem täglichen Dasein als allein erziehende Mutter zur großen Politik zu schlagen. Ein sehr passender Schlusspunkt, wie ich finde – viel Spaß damit!
In irgendeinem Buch – und es war keins der Art, das in den Quellen angegeben einen Beleg meiner Bildung und hochgeistigen Ambitionen darstellen könnte – also, in irgendeinem sehr unterhaltendem Buch lass ich vor einiger Zeit mal:
„Krisen?
Erzählt mir nichts von Krisen –
Ich bin Mutter!“
Oh ja!
Genau.
Somit hätten wir schon einmal festgestellt: hier schreibt eine Fachfrau für Krisen.
Und um dem Ganzen noch etwas mehr Glaubwürdigkeit und Bedeutung zu verleihen:
Ich bin allein erziehende Mutter.
Schlimmer: berufstätige allein erziehende Mutter.
Und – wartet, ich kann noch besser: ich bin (inzwischen) VOLLZEIT-berufstätige alleinerziehende Mutter – mit einer Tochter in der Pubertät und einer anderen, die mich gerade zur Großmutter macht!
Ach, und bevor ich es vergesse:
bei mir setzt auch noch so langsam aber sicher das Klimakterium ein.
Noch Fragen?
Irgendjemand hier, der oder die DAS toppen kann?
Gebt mir also ruhig die Gelegenheit, Euch von meinem reichhaltigen und bewegenden Erfahrungsschatz profitieren zu lassen.
Aber rechnet bloß nicht mit klugen Analysen und Survival-Tipps – denn ich gestehe:
Ich mag Krisen.
Nein, ich LIEBE sie sogar!
Vielleicht, weil jede Krise mir die Möglichkeit gibt, meine schlechte Laune einmal so richtig auszuleben?
Zu moppern und mosern (fällt ja momentan nicht mehr ganz so negativ auf. Macht ja fast jede/r!), mich nachdenklich in meinen vier Wänden bei Tee und Keksen zurück zu ziehen (mit dem beginnenden Winter, der Kälte, der Dunkelheit an viel zu vielen Stunden des Tages hat das natürlich rein gar nichts zu tun!) und schwermütigen Gedanken, die ich selbstverständlich lieber als „tiefsinnig“ bezeichne, nachzuhängen (die Welt ist so schlecht! Was wäre wenn… seufz – auch hier sehe ich natürlich keine jahreszeitlich bedingte Koinzidenz!).
Jaja – Deutschland steckt gerade in einer Krise. Die Welt steckt in einer Krise. Amerika steckt ganz besonders in einer Krise. Ach ja…
Mal ehrlich: ist das etwas Neues?? Empfehle jedem mal einen geneigten Blick in die Geschichte…
Mag ja sein, dass ich langsam das Stadium der Alters-Abgeklärtheit erreiche und der Großteil der mich umgebenden Menschen auch schon ein Lebensstadium erreicht hat, in dem man zwangsläufig bereits diverse Krisen überstanden hat. (Eigene Pubertät, Trotzalter der Kinder, Börsencrash, das „Nach-der-Prüfung-wo-will-ich-hin“-Loch, Insolvenz des Arbeitgebers, Cuba-Krise, erste Falten, der 30.,31.,40.,…60. … Geburtstag…)
Aber gehen wir einmal ganz simpel ran – quasi allegorisch (männliche Leser dürfen gerne vorspulen oder zappen):
Ich persönlich habe z.B. eine absolute Krise, wenn ich auf eine Party eingeladen bin und verflixt nochmal kein passendes Oberteil zu dieser wunderschönen neuen Hose finde, die ich unbedingt anziehen wollte.
(Zur Katastrophe wird es erst, wenn meine Tochter dann auch noch die einzigen wirklich perfekt passenden Schuhe gerade heimlich „geliehen“ hat.)
Gut – ich könnte mich jetzt heulend in die Badewanne legen, schniefend meiner Freundin absagen und mir mit Taschentüchern bewaffnet zum 25. Mal „Schlaflos in Seattle“ anschauen.
Oder ich könnte wenigstens erst einmal mit meiner Freundin telefonieren – und sie an meinem Elend teilhaben lassen.
Mhm.
Verführerischer Gedanke.
So ein bißchen Mitleid braucht die souveräne Powerfrau von heute schließlich auch ab und zu.
Nochmal mhm.
Ich könnte sie natürlich auch fragen, ob sie mir nicht evtl – ist ja wirklich ein absoluter Krisenfall! – dieses scharfe, waffenscheinpflichtige T-Shirt leiht, dass sie sich letzte Woche gekauft hat. Mhm.
Da fällt mir ein, wenn ich mir diese Bluse hier so anschaue, mit einer Schere, ein bißchen Nadel, Faden und Satinband…
Öhem – okay.
Krise bewältigt, weil Lösung gefunden:
- den Kleiderschrank durchwühlen
- die Freundin beleihen
- „aus alt mach neu“ oder
- Oh mein Gott – dass ich nicht früher drauf gekommen bin: shoppen!
„Die Krise des Eis ist die Chance des Kükens“, habe ich heute gelesen. (Ob damit evtl solche neuen Institute wie jenes für „Zukunftskompetenz“ gemeint sind?)
Ich jedenfalls könnte sofort zu meiner Lieblings-Boutique gehen – diese noch eben schnell vor einer Finanz-Krise bewahren!
Ich bin ein guter Mensch – und löse auch noch gleichzeitig mein Problem.
Aber: Mist.
Scheint, als wär das Ganze doch etwas komplexer.
Da wär ja noch mein Kontostand.
Oder besser formuliert: der nicht vorhandene Be-Stand auf eben jenem.
Immerhin bliebe ja noch Plan a) bis c).
Keine Katastrophe in Sicht – solange ich flexibel bin.
Noch nicht.
Nicht für mich. Sollte meine Boutique aber bald schließen müssen, weil…
Ich darf gar nicht drüber nachdenken.
Okay.
Ihr versteht worauf ich hinaus will.
Aber: Euch geht es ja sicher um ganz andere, wesentlich weniger belanglose Themen.
Aber worauf ich hinaus will, hängt doch wiederum ganz eng mit meinem kleinen Exkurs (mea culpa, wenn ich abgeschwiffen – oder abgeschweift? – bin) zusammen.
Wir alle kennen Krisen. Mal kleinere, mal größere.
Und das hat oft nichts, aber auch gar nichts mit DER Realität zu tun.
DIE (Singular) Realität gibt es nämlich sowieso nicht, wie wir inzwischen wissen.
Wenn meine glorreiche Tochter plötzlich eine 2 in Deutsch schreibt, ist das in ihrer Realität nahe an einer Katastrophe. Die 4- in Englisch wiederum … q.e.d.
Im Grunde geht es doch bei allen Krisen – egal welchen Ausmaßes – darum, wie wir persönlich sie erleben und bewerten.
Und ob wir sie wirklich erleben oder evtl ja auch nur daran denken, wie es wäre, wenn wir sie denn evtl erleben würden – und ob wir mit Flucht, Starre (Bild: Kaninchen blickt paralysiert in die Scheinwerfer des heranbrausenden Autos), Aggression (Dir, Krise, wird ich´s zeigen! Du schaffst mich nicht…) oder Kreativität oder… reagieren.
Oder was es für uns bedeutet, wenn unser Nachbar oder eine subjektiv bedeutende Boutiquebesitzerin (Möge die Göttin des Konsums ihr beistehen) von einer Krise heimgesucht wird.
Das hängt anscheinend doch alles miteinander zusammen.
Wie gesagt: mir müsst ihr nix erzählen.
In der Hinsicht bin ich trainiert und erfahren.
Und das ist einer der Gründe, warum ich sage: ja, ich liebe Krisen.
Weil ich bisher noch immer erlebt habe, dass sie einfach das Beste in mir und anderen zum Vorschein bringen.
Ich gebe zu, auch ich neige dazu, mich der Gemütlichkeit und Trägheit hinzugeben.
Hach.
Aber das geht eben nur so lange, bis mal wieder leider etwas Unvorhergesehenes passiert.
(Was durchaus auch schon mal an meiner eigenen Blindheit liegt. „Ich seh dich nicht – dann kannst Du mir auch nix tun!“)
Und plötzlich ist meine Kreativität gefordert (juppiduh!), mein Humor (weil, sonst könnt ich ja gleich…), mein Durchhaltevermögen (von bösen Zungen als nervende Hartnäckigkeit bezeichnet) und nicht zu letzt mein Hang, Pläne und Konzepte zu schmieden, sie auf ihre vermutliche Machbarkeit zu prüfen und dann einfach los zu legen.
Ja prima!
Volldampf voraus!
Und es kommt noch schöner:
In normalen Zeiten (denen ohne öffentlich definierte oder private Krisen), wenn alles halt einfach so läuft, neigen wir alle doch meist dazu, einfach so vor uns hin zu wursteln: Kann nicht klagen. Geht schon. Könnte besser sein, aber…
Manchmal ist dann allerdings ein Punkt erreicht, wo wir feststellen: uups, das geht jetzt aber doch nicht mehr und vor allem nicht „einfach so“.
Und siehe da: kaum hast Du den Mut gefasst, einmal die Klappe auf zu machen und zuzugeben, dass eben doch nicht alles so easy ist – schon ist jemand da mit einer Idee, auf die Du im Leben nicht gekommen wärst; mit einer helfenden Hand („lass mal, das kann ich doch für dich erledigen“) oder einer tröstenden starken Schulter. (Mhm – vielleicht sollte ich mir mal sofort eine neue Krise einfallen lassen??? Krisen sind Zeiten für Helden! )
Dein Kühlschrank ist leer – ja verflixt, dann kommt heut alle zu mir essen.
Die Auftragslage ist gerade schlecht und die Akquise aber auch so was von anstrengend und frustrierend – lass uns doch mal ne Runde durch den Wald laufen, vielleicht kommen uns zusammen neue Ideen;
Oder Du nimmst Dir einfach eine Auszeit – und fragst Dich, was Du sowieso immer schonmal machen wolltest. Wenn nicht jetzt – wann dann?
Kontra, keine 9!
Ich bin ein Spielkind – und das hilft manchmal ungemein:
Ich hab schon mit ziemlich riskantem Blatt gewonnen – einfach, weil bei den Mitspielern die Karten schlecht (für mich: perfekt) verteilt waren.
Oder – für Nicht-Doppelkopf-Spieler:
- Als Außenseiter und Aufsteiger kannst Du auch an den Bayern vorbei ziehen und Herbst-Meister werden;
- Mit einer Mundharmonika Superstar;
- Mit fairem Handel Gewinne einfahren;
- Mit Glauben und Engagement eine Mauer zu Fall bringen;
- Mit Wut, einem Blick für´s Wesentliche UND Sensibilität Menschen bewegen UND Geld verdienen; (Danke Hagen Rether und Volker Pispers!)
- Mit 46 Deinen Traumjob finden; (Dicken Knutsch an meine Freundin Sabine!)
Erinnert Euch doch mal. Es gibt so viele Beispiele.
Ach – und wenn das alles nicht hilft, hätte ich da noch diverse wunderschöne Kinderbücher; Songs für schwere Stunden…
Wer eine Mutmacher-Liste braucht: feel free to ask me!
Also nochmal:
Krise heißt doch nur: SO geht es gerade nicht.
Aufwachen!
Schluss mit dem Dornröschenschlaf.
Wir lesen vom Ende der alten Welt-Ordnung (will da etwa endlich mal jemand aufräumen?), festgestellt von einer Denkfabrik der CIA, nachdem Dutzende von Experten über 18 Monate lang befragt wurden. … Wow! Fallen Ignoranz und Wahrnehmungsstörungen eigentlich auch unter Krisen?
Wie war das? Das Geld ist nicht weg – es hat nur ein anderer?
Im Westen geht die Sonne unter – im Osten geht sie gerade auf…
Ganz spannende Krise für alle afrikanischen Staaten, in denen sich Menschen jeden Tag fragen, wieviele ihrer Freunde und Verwandten sie in dieser Woche wieder an Hunger und Krieg verloren haben…
Ja, guten Morgen!
Wir alle kennen das Gefühl, etwas nicht hergeben zu wollen, was uns lieb und teuer war. Wir alle mögen es nicht, wenn wir uns Dinge nicht leisten können, die wir gerne hätten. Aber solange diese Frage in erster Linie „die Anderen“ betrifft, bleibt die Krise eben für uns nur eine theoretische…
Jetzt wird´s halt langsam eng.
Wie unangenehm.
Sollten wir jetzt etwa wirklich flexibel und kreativ werden müssen?
Ja – wir haben in der Tat eine Krise.
Aber die hat weniger mit Finanzen zu tun.
Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Darunter liegen Werte.
Genau: da-RUNTER.
Unten.
Ehrlich: was für eine Chance.
Für jeden einzelnen – aber auch für uns gemeinsam. Und was „gemeinsam“ jetzt heißt, können wir endlich anfangen neu zu definieren.
Mir fällt gerade ein, dass ich schon lange nicht mehr Zarah Leander gehört habe.
„Davon geht die Welt nicht unter…“
Jedenfalls nicht, wenn wir es verhindern.
So – und ich muss jetzt Schluss machen. Meine Tochter will schmusen. 🙂