Der Facebook-Popanz

Ich bin es so Leid. Jede Woche aufs Neue wird die Sau durchs Dorf getrieben: Facebook ist die böse Datenkrake, die ungefragt Daten ihrer User abgreift. Klar, das tut das Unternehmen öfter als nötig, und ich finde es auch richtig, ihm auf die Finger zu gucken und notfalls auch auf selbige zu klopfen, wenn es zu dreist wird.

Aber was mich an der ganzen Diskussion so ärgert, ist ihre Scheinheiligkeit: Alle wollen das Ding nutzen, aber keiner will dafür bezahlen.

Denn einerseits wollen sehr viele ja irgendwie doch dabei sein. Denn wenn wir nicht einen Nutzen aus dem Ganzen zögen, wären wir ja nicht hier, oder? Ich genieße es zum Beispiel sehr, dass es über FB viel leichter ist, mit Menschen Kontakt zu halten, die weiter entfernt leben. Und ich finde es super, dass die wirklich relevanten Informationen über meine Netzwerke – FB ist ja nur eines davon – immer zu mir finden, so dass ich mich nicht mehr durch Berge von Negativschlagzeilen wühlen muss, um zu erfahren, was mich wirklich interessiert. Dass ich sehen kann, welche meiner Freunde online und vielleicht zu einem Chat-Schwätzchen bereit sind, ist für mich auch eine feine Sache. Ich bekomme sehr viel Input und Austausch, und als kreative Persönlichkeit ist das für mich fast ein Lebenselixier. Dass FB darüber hinaus auch ein prima Selbstmarketing-Instrument ist – geschenkt. Aber das steht bei meiner eigenen Nutzung gar nicht im Vordergrund.

Wir haben also alle was davon. Und wir bezahlen kein Geld für all diese Möglichkeiten und nehmen das ganz selbstverständlich hin. Hand aufs Herz: Wie hoch wäre wohl der Prozentsatz der User, die bereit wären, für dieses Angebot Geld zu bezahlen? Eben.

Aber Facebook ist eben andererseits ein Unternehmen, das Geld verdienen muss. Die Daten von über 600 Millionen Menschen liegen auf Servern, die Unmengen von Energie schlucken. Der Rechneraufwand ist gigantisch, und die Manpower, die dahinter steckt, damit das ganze Ding reibungslos läuft, kostet ebenfalls Geld, und zwar wahrscheinlich nicht zu knapp.

Und die Währung für all das sind eben die Daten der User. Das ist kein Geheimnis, und wenn man sich bei FB registriert, muss man sich darüber im Klaren sein.

Eigentlich ist also alles ganz einfach:

  • Du möchtest nicht, dass FB deine Daten sammelt => Dann registriere dich nicht.
  • Du möchtest mitspielen, aber trotzdem noch eine gewisse Kontrolle über deine Daten haben => Dann akzeptiere die Tatsache, dass FB uns dies momentan leider eher schwer macht. Beschäftige dich mit deinen Privateinstellungen und mache dort die richtigen Häkchen. Verabschiede dich außerdem von der Idee, tausende von „Freunden“ sammeln zu wollen und dein komplettes Leben öffentlich zu machen.
  • Dir ist das alles total egal => Dann hast du diesen Artikel wahrscheinlich ohnehin nicht gelesen und wirst dich wahrscheinlich höchstens eines Tages wundern, was dein Chef alles über dich weiß ;-).

Facebook macht viele dumme Fehler in Bezug auf den Umgang mit unseren Daten, und ich finde das nicht toll. Vielleicht wird das ja wirklich nach und nach dazu führen, dass die „bewussteren“ User wieder abwandern in kleinere, überschaubarere oder zielgruppenrelevantere Communities, wie einige das schon jetzt postulieren. Das werden wir sehen, und bis es soweit ist, werde ich FB weiterhin auf meine Weise nutzen. Bis dahin plädiere ich absolut für einen bewussten Umgang mit diesem Dienst, aber ohne ihn zu verteufeln.

Und eine letzte Anmerkung sei noch erlaubt: Auf Facebook einzuprügeln und gleichzeitig Google und Amazon zu nutzen, die mindestens genauso datenhungrig sind – das ist in meinen Augen inkonsequent und unreflektiert. Und leider ein Verhalten, das mir ständig begegnet. Gerne von Menschen, die gegenüber sozialen Medien völlig verständnislos sind, weil sie sie gar nicht nutzen und keine Ahnung von den vielen Vorteilen haben. Aber das ist noch mal ein ganz anderes Thema …

14 Kommentare zu „Der Facebook-Popanz“

  1. Liebe Heide,
    Du hast mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen! Was ich mir immer über Facebook anhören darf, geht teilweise „auf keine Kuhhaut“. Und das natürlich von den, die Social Media noch nie genutzt haben und keine Ahnung haben wie es tatsächlich abläuft. Von den Nutzern sind meist zeitliche Bedenken zu hören, man kann sich ja auch verzetteln und (eigentlich) ungewollt viel Zeit verbringen.

    In diesem Sinne, ich möchte auf die Vorteile nicht verzichten!

    Herzliche Grüße
    Natalie Schnack

  2. Genauso ist es. Man sollte kritisch und wachsam sein, aber wer keine Kontakte möchte, der soll sich halt aus facebook raushalten.

    Und wie viel wir von uns preisgeben, haben wir auch selbst in der Hand.

    Ich mag facebook und habe schon viele tolle Kontakte gemacht und auch einiges an Inspiration und Wissen aus dieser Community mitgenommen.

    Danke für diesen Artikel, finde ihn super.

    Herzlich,

    Carolina

  3. Liebe Frau Liebmann,

    Ihr Beitrag stößt bei mir auf offene Türen. Auch ich sehe die Chancen durch Facebook und andere soziale Netzwerke größer als die Risiken und habe speziell durch Facebook schon sehr interessante Menschen kennen gelernt bzw. besser kennen gelernt und wertvolle Informationen erhalten.

    Vor kurzem habe ich eine interessante Statistik gelesen, die sich sicher auch auf Facebook übertragen lässt, auch wenn sie etwas weiter geht: Ungefähr ein Drittel der Daten, die Internet-Nutzer wieder gelöscht haben möchten, haben sie selbst eingegeben.
    https://karrierebibel.de/nimm-das-raus-was-internet-nutzer-gerne-loschen-wurden/

    Jeder hat zu einem großen Teil in der Hand, was er über sich selbst preisgibt. Das Opferdenken bringt niemandem etwas.

  4. Da ich nicht bei FB registriert bin kann ich diesen Artikel nicht bewerten.

    Oder doch: Die Aussage

    »Du möchtest nicht, dass FB deine Daten sammelt => Dann registriere dich nicht.

    ist definitiv falsch. Ich bin – wie gesagt – nicht registriert und doch hat FB einige Daten von mir.

    Und d-a-s ist das eigentlich Verwerfliche.

    Hat jemand von den FB-Liebhabern ’ne Idee, wie ich die gelöscht bekomme? Selbstverständlich ohne daß ich weitere Daten von mir preis geben muß. Z.B. durch das Einsenden einer Kopie meines Personalausweises.

    Grüße von
    Zitante Christa

  5. Liebe Frau Birkner,

    vielen Dank für den interessanten Link – das sind ja wirklich aufschlussreiche Zahlen.

    Auch im virtuellen Raum greift letztlich das Prinzip Selbstverantwortung: Ich kann und sollte auch steuern, was und wie ich dort kommuniziere. Da bin ich völlig Ihrer Meinung.

  6. Also, ich möchte respektvoll zwei Aussagen widersprechen:

    (1) Jede Woche aufs Neue wird die Sau durchs Dorf getrieben

    … und jede Woche wird auch viel Gutes über FB geschrieben. Es kommt eben drauf an, was man liest. Aber eine Lobeshymne auf FB verkauft sich halt nicht so gut.

    Beispiel: https://www.scottporad.com/2012/07/09/how-facebook-improves-a-wedding/

    (2) Auf Facebook einzuprügeln und gleichzeitig Google und Amazon zu nutzen, die mindestens genauso datenhungrig sind – das ist in meinen Augen inkonsequent und unreflektiert.

    Sehe ich nicht so – insbesondere Google hat frühzeitig auf Transparenz gesetzt, Facebook frühzeitig auf Verschleierung (z.B. werden neue Features ohne Benachrichtigung der Nutzer aktiviert). Die Währung ist die gleiche, aber es gibt drastische Unterschiede, was das ethische Verhalten der beiden Firmen betrifft.

  7. Hallo Michael, danke für deinen Kommentar. Natürlich hast du Recht, und es gibt auch immer wieder schöne Beispiele und Artikel darüber, wie FB und andere Netzwerke das Leben bereichern. Das Beispiel, das du gewählt hast, finde ich aus anderen Gründen nicht so passend. Ich würde niemals ungefragt Fotos von Personen öffentlich auf FB posten und taggen, und wenn das jemand mit Bildern von mir macht, bitte ich immer höflich darum, sie wieder zu entfernen. Das ist ein Umgang mit den Daten anderer Leute, den ich nicht gut finde. Dass viele Leute permanent Fotos ihrer Kinder posten, finde ich persönlich auch reichlich schräg. Aber die Kids können sich ja noch nicht wehren …

    Was Google betrifft: Ja, mag sein, dass man dort offener mit dem eigenen Datensammelverhalten umgeht. Das ändert aber nichts daran, dass die Daten gesammelt werden und viele Leute dennoch Google nutzen und sich gleichzeitig über das böse FB beschweren. Darum geht es mir ja, nicht um das mehr oder weniger ethische Verhalten der beiden Unternehmen.

  8. Nee, der Nagel ist nicht ganz auf den Kopf getroffen:

    bei den Daten auf facebook geht es nicht darum, welche Informationen wir für ANDERE USER sichtbar machen. Es geht darum, welche wir für das UNTERNEHMEN sichtbar machen.

    Und genau DAS wissen wir nicht.

    Ich würde gerne Euro bezahlen. Denn die WÄHRUNG EURO kenne ich sehr gut und ich weiß genau, was ich weggebe, wenn ich dafür etwas kaufe.

    Im Gegensatz dazu weiß ich NICHT, was ich faceboook mitteile, denn facebook zieht SEINE EIGENEN SCHLÜSSE aus allem, was wir dort posten, in Chats oder privaten Mails schreibe.

    Facebook sagt mir nicht, WAS/WEN ich IN WELCHER WÄHRUNG BEZAHLE.

    Das ist der Knackpunkt. Ich will einfach wissen, was dort mit mir passiert. Und deshalb stimmt deine Argumentation nicht, sorry.

  9. Nun ja, anonyme Leserin, wie gesagt: Natürlich ist das so. Wobei ich zu bedenken gebe, dass das, was du da beschreibst, letztlich in jeder Kommunikation passiert. Ich kann nur bedingt beeinflussen, was der Empfänger meiner Äußerungen daraus macht und welche Schlüsse er möglicherweise daraus zieht. Wenn FB in meinem Fall die falschen Schlüsse zieht und mir Werbung anbietet, die mit mir wenig zu tun hat – nun, dann ist das ein kommunikatives Missverständnis 😉 . Eins, das ich nicht weiter tragisch finde. Ebenso wenig übrigens wie „passendere“ Werbung. Weil ich mir eben darüber im Klaren bin, dass meine Daten ausgelesen und ausgewertet werden. Wenn man das nicht möchte, ok. Diese Entscheidung kann ja jeder nur selbst treffen.

  10. Pingback: Mein Jahresrückblick 2012 | Heide Liebmann

  11. Zitante Christa on 2. August 2012 at 17:13
    Zu deiner Frage: …“Hat jemand von den FB-Liebhabern ‘ne Idee, wie ich die gelöscht bekomme? Selbstverständlich ohne daß ich weitere Daten von mir preis geben muß. Z.B. durch das Einsenden einer Kopie meines Personalausweises.?“
    Christe – du weisst doch selbst am Besten wie man etwas aus dem Internet aus speziellen Seiten entfernt…

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